Sie sei nicht grundsätzlich gegen Bezahlkarten für Geflüchtete, sagt Julia Liebl von der Asylsozialberatung der Caritas. Es gibt jedoch einige Punkte an den bisherigen Plänen, die die Sozialpädagogin kritisiert. Bärbel Wieland von der Flüchtlingsberatung der Christuskirche findet: "Die Bezahlkarte ist stigmatisierend." Straubing ist als einzige kreisfreie Stadt neben den Landkreisen Traunstein, Fürstenfeldbruck und Günzburg Modellkommune bei der Einführung der bayerischen Version der Bezahlkarte für Flüchtlinge und Asylbewerber dabei (wir berichteten). In zwei Wochen treffen sich Julia Liebl, Bärbel Wieland und Integrationslotse Sebastian Wiesbeck mit Vertretern des Amts für Asyl, Migration und Integration, um weitere Details zur Einführung Ende März zu besprechen.
Die Bezahlkarte erhalten Asylbewerber, die in den staatlichen Heimen leben. Diese wird bei Alleinstehenden monatlich mit 460 Euro aufgeladen, 50 Euro davon können als Barbetrag abgehoben werden. Bestimmte Waren und Dienstleistungen, wie Alkohol, Zigaretten und Glücksspiel, können mit dieser Karte nicht bezahlt werden. "Menschen werden an der Kasse stigmatisiert" Da Straubing ein Modellstandort wird, befürchtet Julia Liebl, dass die technische Umsetzung noch nicht reibungslos laufen wird. Die Sozialpädagogin betreut die Geflüchteten, die in den staatlichen Unterkünften an der Schlesischen Straße und am Stadtgraben leben. Um das Deutschlandticket der Deutschen Bahn zu bekommen, brauche man ein Lastschriftmandat. "Das geht jedoch mit der Bezahlkarte nicht", sagt sie. Das bedeutet auch: Ein Kind in einer Krippe oder einem Kindergarten anzumelden, ist mit dieser Karte unmöglich, denn dafür ist aktuell ein Lastschriftmandat nötig. "Hier muss sich die Stadt eine Lösung einfallen lassen", sagt Julia Liebl.
Bärbel Wieland ist Flüchtlings- und Integrationsberaterin der Christuskirche und zuständig für die Menschen in der staatlichen Unterkunft an der Äußeren Passauer Straße. Sie findet: "Es ist menschenunwürdig, auf diese Art einzukaufen. Die Menschen werden an der Kasse stigmatisiert." Die Einführung der Bezahlkarte Ende März ist ihrer Meinung nach ein Schnellschuss. Die Bezahlkarte soll außerdem nur auf bestimmte Postleitzahlen begrenzt sein. Das bedeutet: Fährt ein Asylbewerber beispielsweise zu seiner Familie nach Regensburg, kann es passieren, dass die Bezahlkarte dort nicht funktioniert. "Auch datenschutztechnisch finde ich die Bezahlkarte sehr schwierig", sagt Bärbel Wieland. Es müsse noch viel geklärt werden: Es könne nicht sein, dass irgendwelche Stellen dann exakt nachvollziehen können, was der Asylbewerber eingekauft hat. Wie werden Anwälte bezahlt?
Bärbel Wielands größte Sorge ist jedoch, dass Asylbewerber künftig ihre Anwälte für das Asylverfahren nicht mehr bezahlen können. "Anwaltskosten tragen Asylbewerber immer selbst", erklärt sie. Da man aber mit der Bezahlkarte nicht überweisen kann, bleiben nur noch die 50 Euro monatlich bar. Eine Option wäre, die 50 Euro auf ein Konto einzuzahlen. Die Summe, die abzüglich der Kontoführungsgebühren bleibt, könne als Rate an einen Anwalt überwiesen werden. Das monatliche Bargeld ist dann komplett aufgebraucht. Das Recht auf anwaltliche Beratung werde hier ihrer Meinung nach unterwandert. Muss ein Geflüchteter für ein Dokument beispielsweise zu einer Botschaft nach Berlin, bestehe voraussichtlich die Möglichkeit, die Bezahlkarte für andere Postleitzahlen freizuschalten, sagt Julia Liebl. Doch das muss erst beantragt werden - und das bleibt wiederum an Beratungsstellen und Ämtern hängen. Ein zusätzlicher bürokratischer Aufwand. Viele Geflüchtete kaufen günstige, gebrauchte Gegenstände und Kleidung beispielsweise online bei Ebay, mit der Bezahlkarte sei das nicht mehr möglich, sagt Bärbel Wieland. Die monatlich 50 Euro müssen also für Gebrauchtes vom Flohmarkt, Beiträge für Schulausflüge oder andere Dinge, die man nur bar bezahlen kann, reichen. Vieles sei noch unklar, unter anderem, wie Unterhaltsforderungen künftig beglichen werden können, sagt Julia Liebl. Außerdem verfügen nicht alle und insbesondere kleinere Geschäfte über ein EC-Karten-Lesegerät, die Bezahlkarte kann dort folglich nicht eingesetzt werden, sagt Bärbel Wieland. Beratungsstellen sind jetzt schon am Limit Wenn die Geflüchteten im April realisieren, dass kein Cent auf ihr Bankkonto geflossen ist, dann befürchtet Bärbel Wieland "einen Run" auf Beratungsstellen und Ämter. Viele werden ihr ursprüngliches Bankkonto auflösen und brauchen dabei Hilfe. "Wir sind in der Beratungsstelle allerdings jetzt schon am Limit", sagt Julia Liebl. Julia Liebl sagt, es sei extrem wichtig, dass mit der Bezahlkarte zumindest inländische Überweisungen getätigt und Lastschriftmandate eingerichtet werden können. Bärbel Wieland hofft, dass der Barbetrag vielleicht auf 100 Euro erhöht wird und appelliert an die Regierung, dass die Geflüchteten an der Supermarktkasse mit der Bezahlkarte nicht stigmatisiert werden. "Ich hoffe, sie wird aussehen wie eine normale EC-Karte.
"Zu dem Artikel sollte ein aktuelles Foto der Bezahlkarte gestellt werden. Auf Anfrage hieß es vom bayerischen Innenministerium, dass man derzeit "noch nicht" weiterhelfen könne, das Vergabeverfahren sei noch nicht abgeschlossen.
Von Sophie Schattenkirchner
Straubinger Tagblatt 16.02.2024