An der Bürotür steht noch der Name Norbert Scheidler. Kein Wunder, gerade erst am 1. Januar hat Angelika Schebelle als Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Straubing-Bogen seine Nachfolge angetreten. Scheidler war 28 Jahre lang Geschäftsführer beziehungsweise nach Neustrukturierung seit 2020 Vorstandsvorsitzender. Die 51-Jährige ist bei der Caritas alles andere als ein Neuling, seit 14 Jahren ist sie hier tätig. Sie kommt aus der Pflege, dem Bereich, der für unsere Gesellschaft nicht erst in der Zeit der Pandemie existenziell ist. Dafür will sie besonders ihre Stimme erheben wie überhaupt da, wo es in der Gesellschaft hakt. Zurzeit ist sie dabei, die rund 380 Mitarbeiter und die einzelnen Bereiche aus der Nähe kennenzulernen.
Gerade mal eine Woche hatte Angelika Schebelle Zeit, sich zu entscheiden, ob sie sich diesen Posten für sich vorstellen könnte, nachdem die designierte Nachfolgerin unerwartet aus familiären Gründen gekündigt hatte. "Sehr überraschend für mich", sagt sie. Sie konnte es sich vorstellen. Mit Rückendeckung ihres Mannes und der zwei erwachsenen Töchter, die beide in Regensburg studieren. "Weil ich eine tolle Mannschaft, tolle Mitarbeiter hinter mir weiß", sagt sie. "Und weil der Verband gesund dasteht."
Ursprünglich Krankenschwester gelernt
Ursprünglich hat Angelika Schebelle Krankenschwester gelernt - am Krankenhaus in Mallersdorf, ihrem Wohnort noch heute. Nach mehreren Jahren Elternzeit hat sie zunächst in Teilzeit wieder in ihrem Beruf gearbeitet. Teilzeit-Stellen in der Pflege waren damals rar, erinnert sie sich, "das kann man sich heute kaum vorstellen". Deshalb wurde sie in der dahingehend flexibleren ambulanten Pflege tätig, hat Wochenenddienste gefahren. 2011 wechselte sie in die Leitung der Caritas-Sozialstation Laberweinting, absolvierte eine Weiterbildung zur Pflegedienstleitung. Bis 2020 hat sie es mit dem dortigen Team geschafft, Mitarbeiter- wie Klientenzahl zu verdoppeln. 2020 wurde sie Bereichsleiterin für ambulante und teilstationäre Pflege. Auch jetzt wird sie die Ressortleitung Altenhilfe behalten.
Bereits 2018 hat Angelika Schebelle ein berufsbegleitendes Studium an der OTH Regensburg begonnen - Pflegemanagement. Im Juli wird sie es abschließen und ist sehr erleichtert über die in Sicht kommende Ziellinie. So ein Pensum schafft man nur mit Leidenschaft für diesen Beruf, mit Strukturiertheit und Disziplin. Angelika Schebelle hat ganz offensichtlich von all dem viel. Neben einer Vollzeitarbeitswoche sei sie mit dem Studium nebenher jetzt an ihre Grenzen gekommen, gibt sie aber entwaffnend offen zu.
Norbert Scheidler war nie Einzelkämpfer
Schließlich sei es noch eine zusätzliche Herausforderung, sich in weitere Caritas-Fachgebiete einzuarbeiten - von Kinderbetreuung, Beratungsstellen bis zu Frauenhaus, in Zuschuss- und Antrags-Strukturen... Sie weiß die bestehenden Netzwerke zu Fachstellen in Stadtverwaltung und Landratsamt zu schätzen. Wirklich fremd ist ihr all das ohnehin nicht, denn Norbert Scheidler sei nie Einzelkämpfer gewesen, sondern habe sich mit den Bereichsleitern eng vernetzt und ausgetauscht. Zudem schätzt sie, dass Volkswirt Nicolas Scheidler ihr Stellvertreter ist, der vor allem die wirtschaftliche Sicht einbringe und sich damit mit ihr perfekt ergänze.
Ihre Philosophie sieht Angelika Schebelle im Mitwirken, Ungleichgewichte in der Gesellschaft auszugleichen. Nach innen liegt ihr am Herzen, mit den Mitarbeitern achtsam umzugehen, die Balance von Arbeit und Leben im Auge zu behalten. Die Bedingungen diktiere natürlich die Politik, aber wo immer Stellschrauben zu drehen sind, will sie das tun.
Kurzzeitpflege-Engpass: Lösung finden
Wenn Angelika Schebelle von Pflege spricht, blitzt Leidenschaft auf. Und sie wird sich aufmachen, in anderen Bereichen ebenso tief Einblick zu bekommen. "Ein Verband wie die Caritas muss hinschauen, wo es in der Gesellschaft hakt." Damit mache man sich natürlich nicht überall beliebt. Geld, das ist ihre Überzeugung, sei für die Aufwertung des Pflegeberufs der geringste Anteil. Es gehe darum, die Arbeitsbedingungen zu ändern, damit man nicht immer am Limit arbeite. "Die Politik muss da tatkräftig helfen."
Voranbringen will sie außerdem die Digitalisierung - auch in der Pflege. Nicht umsonst habe die Caritas sich an einem Pilotprojekt einer Assistenzsystem-App eingebracht. Pflegekräfte seien dabei mit dem Hausarzt vernetzt und könnten auf direktem Weg ein Konsil einfordern. Arzt wie Pflegedienst könnten dies abrechnen, quasi ein elektronischer Hausbesuch. Anliegen sei, Menschen den Wunsch zu erfüllen, so lange wie möglich daheim bleiben zu können.
Aktuell ist sie in Gesprächen mit der Stadt: Man will gemeinsam den Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen angehen, ein echtes Problem. Und Pflege müsse finanzierbar sein, sagt sie, deshalb setze sich die Caritas für ein Festschreiben der Eigenanteile ein und auch ein stärkeres Engagement der Kommunen. Jetzt laste zu viel auf den Schultern der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen.
Das Wort von den großen Fußstapfen
Das Wort von den "großen Fußstapfen", in die sie getreten ist? Das hat sie bisher noch nicht bis zum Abwinken gehört, sagt sie und lacht. Norbert Scheidlers Fußstapfen seien auch erst im Laufe der Jahre größer geworden. "Es wird anders weiterlaufen, aber gut", ist sie deshalb sicher. "Man kann reinwachsen. Das braucht nur etwas Zeit." Angst hat sie nicht vor der neuen Aufgabe, denn Angst lähme. "Großen Respekt ja, vor dieser Herausforderung."
Eine Frau in dieser Position - für Angelika Schebelle eigentlich kein Thema. Selbst der deutsche Caritasverband werde seit 2021 von einer Frau geführt. Sie ist sicher, Frauen machten es anders ("keine Wertung"), sie täten sich aber oft schwerer, Dinge nicht so sehr an sich heranzulassen. Es sei wichtig, Grenzen zu ziehen, deshalb sucht sie Ausgleich in der Natur, in Bewegung, im Treffen mit Freunden. Sie kocht sehr gerne, am liebsten als eingespieltes Team mit ihrem Mann am Feierabend. Sie liebt Gartenarbeit. Und betätigt sich gerne auf dem Anwesen, das sie mit ihrem Mann vor Jahren gekauft hat und seitdem Stück für Stück renoviert und in Schuss hält. Im Übrigen: Es ist doch spannend, mit 50 nochmal etwas Neues anzupacken.
von Monika Schneider-Stranninger
Straubinger Tagblatt 07.01.2022