Der Pflegebedürftige sitzt zufrieden im Lehnstuhl. Wohlgenährt, gut gekleidet, entspannt. Die Tochter, ihm gegenüber, die ihn pflegt, wirkt hingegen wie ein Häufchen Elend. Blass, übermüdet, nervös. Den Eindruck hat Caritas-Geschäftsführerin Angelika Schebelle in ihrer Zeit in der ambulanten Pflege oft gewonnen, wenn sie Familien besuchte, die Angehörige pflegen. Sie räumt gleich mit einem Vorurteil auf: Die meisten Pflegebedürftigen würden nicht etwa im Heim, sondern zuhause von Familienangehörigen betreut, ohne professionelle Unterstützung.
Monika Schneider-Stranninger
Pflegende Angehörige brauchen Ansprechpartner, einer davon ist die Fachstelle für pflegende Angehörige der Caritas, die zum 1. Mai mit Lothar Guggenthaler neu besetzt wurde."Ich kann nicht mehr. Ich brauche Entlastung", das hat Lothar Guggenthaler zwischenzeitlich schon oft am Telefon gehört. Und nicht selten waren das die ersten Worte seines Gegenübers. Ohne Umschweife. Weil es drängt, weil da jemand am Limit ist und sich aufgerafft hat, zum Telefon zu greifen. Aus persönlicher Not. Dann versucht er erst einmal, sich ein Bild zu machen: Was ist Sache? Wer pflegt? Gibt es eine Einstufung in einen Pflegegrad? Sind alle Leistungen ausgeschöpft? Manchmal, sagt er, sei es mit dem einen Telefonat schon getan. Die Anrufer könnten die nächsten Schritte tun, Anträge stellen, um die finanziellen Möglichkeiten zu vergrößern, weitere Ansprechpartner kontaktieren. Es tue sich die eine oder andere Perspektive auf. Manchem tue es schon gut, wenn mal jemand zugehört hat, so Guggenthalers Eindruck.
Kurzzeitpflegeplätze sind sehr rar: Eine Lücke
Selten, weiß er, kann er nicht helfen, vor allem wenn es um einen Kurzzeitpflegeplatz geht. Die seien rar und sehr schwer zu bekommen auf die Schnelle, aber selbst mit Vorlauf oft nicht. Da müsse man sehr viel Glück haben. "Ein großes Manko, eine Riesenlücke", ist er mit Angelika Schebelle einig. Es sei ein defizitärer Bereich. Es gebe zu wenig Plätze und zu wenig Personal. Dabei steige der Bedarf parallel mit der Zahl derer, die daheim gepflegt werden. Das habe viele Gründe. Der Pflegekräftemangel, rückläufige Heimplätze, Corona-Erfahrungen mit eingeschränkten Besuchszeiten. Auch das größere Angebot an seriösen 24-Stunden-Pflege-Agenturen mache sich bemerkbar. Viele häusliche Pflegesituationen würden ohne das gar nicht mehr funktionieren.
Nicht selten fühlten sich pflegende Angehörige mit dem Rücken zur Wand. 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr da sein. Oft über Jahre. Das geht an die Substanz. Entlastung, Freiraum schaffen, ist überfällig und notwendig, um fit zu bleiben, aber nicht so einfach. Oft seien Angehörige isoliert, weil ihr Umfeld wegbreche, Bekannte sich zurückziehen und man selber sehr in Sorge sei, wie das Verhalten eines Demenzkranken bei anderen ankomme.
Demenz ist laut Angelika Schebelle tatsächlich meist Thema der Ratsuchenden. Viele versuchten, den Kranken zurück in ihre Welt zu holen. Aber das gehe nicht. Das berge Konfliktpotential und Stress und reibe beide Seiten auf, so ihre Erfahrung. Man müsse sich selber in die Welt des Kranken begeben. Das könne man lernen.
Sich Hilfe holen, ist der wichtigste Schritt. Wer die Beratungsstelle anruft oder anderswo anfragt, hat in den Augen von Lothar Guggenthaler schon einen entscheidenden Schritt getan, er hat sich Hilfe gesucht. Hilfe anzunehmen, sei der wichtigste Schritt, bestätigt Angelika Schebelle. Deshalb schätzt sie auch sehr, dass die AOK als einzige Krankenkasse vor Ort eine Pflegeberatung anbiete. Ein weiterer Ansprechpartner.
Tagespflege sei zwischenzeitlich eine gute Möglichkeit, tageweise etwas Freiraum als Pflegender zu gewinnen zum Auftanken und den Angehörigen gleichzeitig gut aufgehoben zu wissen, sagt sie. Sie setzt darauf, dass Kommunen zunehmend alternative Wohnformen für alte Menschen anbieten. Seit fünf Jahren beispielsweise gebe es in Niederwinkling eine von der Caritas betreute Wohngemeinschaft, die sich gut etabliert hat.
Jahrzehnte Erfahrung in der Pflege
In all diese Themen arbeitet sich Lothar Guggenthaler gerade ein, wobei ihm das Allermeiste nicht fremd ist. Er hat 38 Jahre lang am Straubinger Klinikum gearbeitet, als Krankenpfleger, Intensivpfleger und schließlich nach entsprechender Weiterbildung als Lehrer für Pflegeberufe in der Krankenpflegeschule. "Ich habe nochmal eine neue Herausforderung gesucht", sagt er. Die Stellenausschreibung der Caritas kam wie gerufen. Er fühlt sich angekommen.
Erreichbar ist er unter der Telefonnummer: 09421/991237,
per E-Mail unter l.guggenthaler@caritas-straubing.de.
Auch eine Online-Beratung ist möglich und gegebenenfalls ein Hausbesuch.
von Monika Schneider-Stranninger
Straubinger Tagblatt 23.05.2023