Schönen Feierabend“, sagt Hans (Name geändert) über die Lehne seines Rollstuhls. Veronika Daschner kniet vor ihm: „Ich bin erst gekommen, willst mich schon loshaben?“, fragt sie und streicht sanft über seinen Handrücken. „Nein! Ich brauch’ dich doch.“ Die Auszubildende lächelt und ist sich sicher: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken muss.“
Veronika Daschner ist im 2. AusbildungsjahrSR Tagblatt
Kurz vor 13 Uhr. In einer halben Stunde ist Schichtübergabe. Dass Veronika Daschner freitags Spätdienst hat, macht ihr nichts aus: „Durch die Schicht bin ich flexibel. Ich kann mir Termine so legen, dass sie passen.“ Seit zwei Jahren arbeitet die 25-Jährige als Auszubildende im Caritas-Pflegezentrum An der alten Waage. Zuvor hatte sie Menschen mit Behinderung unterstützt: „Ich wollte einfach noch mehr in der Pflege tätig sein.“
Veronika Daschner kümmert sich im Gemeinschaftsraum um die Bewohner. Neben Hans sitzt auch Marianne noch im Zimmer. Strohdrachen hängen an der Wand, bunte Blätter und rote Beeren stehen in einer Vase auf dem Holztisch. „Um sechs treffen wir uns zur Weinprobe“, sagt Marianne und lächelt. Weinproben und gemütliches Zusammensitzen, das bringe der Herbst mit sich. Marianne genießt die Zeit im Pflegezentrum: „Unterm Tag sieht man sich nur zum Essen.“ Und kurz nach 13 Uhr beginnt dann die Mittagsruhe. Erst später gibt es Kaffee und Kuchen.
„Ich bin genauso Friseurin wie stille Zuhörerin“
Viele würden den Pflegeberuf belächeln, doch für Veronika Daschner ist er mehr: „Ich bin genauso Friseurin wie stille Zuhörerin. Und die Dokumentation ist mein Bürojob.“ Sie genießt die Abwechslung und lässt sich von mühsamen Situationen nicht unterkriegen: „Man kann sich mit dem Team absprechen und auf andere verlassen.“ Schwer fiel ihr anfangs, wenn Leute nicht reden konnten, doch darüber macht sie sich längst keine Gedanken mehr: „Blicke sagen mehr als Worte. Bewohner sehen dich an und du weißt, wie es ihnen geht.“
„Vroni, ich weiß nicht, ob du es durchziehst“
„Ich würde jungen Menschen raten, den Beruf auszuprobieren.“ Und das auch, wenn die Familie nicht damit einverstanden ist. „War mein Papa auch nicht“, sagt sie lachend: „Vroni, ich weiß nicht, ob du es durchziehst.“ Heute ist er stolz und glücklich, dass sie Teil der Altenpflege ist. Veronika Daschner will auch dabei bleiben: „Es gibt so viele Weiterbildungsmöglichkeiten: Wohnbereichsleitung oder Pflegedienstleitung.“ Am Ende eines Tages wisse sie, dass sie etwas Sinnvolles gemacht habe.
„Man bekommt so viel Lebenserfahrung von den Bewohnern.“ Der Fleck aus ihrer Hose ist so auch wieder verschwunden: „Mei Vroni, da brauchst Wasser, Backpulver und dann musst du reiben“, habe ihr eine Bewohnerin geraten. Es ist ein Geben und Nehmen – viel mehr ein Geben, das glücklich macht: „Wenn Bewohner lächeln, weiß ich, dass die Arbeit geschätzt wird und es ihnen gut geht“, sagt Veronika Daschner und streift sich die Haare zurecht. Hinter ihrem linken Ohr ist ein Tattoo zu sehen. Ein Stethoskop, dessen Schlauch sich zu einem Herz formt. Sie will zeigen, wie sehr sie ihren Beruf liebt: „Pflege geht bei mir ins Herz und unter die Haut.“
von Lena Feldmeier
SR Tagblatt 05.10.2019