Angelika Schebelle, Bereichsleiterin für ambulante und teilstationäre Pflege des Caritasverbandes Straubing-Bogen, ist am Donnerstag in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Senioren in Niederwinkling mit Bewohnern und Pflegern geimpft worden.
Im Interview spricht sie über die Aufklärung im Vorfeld, die Impfbereitschaft unter Mitarbeitern im Pflegebereich und eine mögliche Impfpflicht.
Als in der Krankenpflege Tätige sind Sie unter den Ersten im Landkreis, die geimpft worden sind. Fühlen Sie sich privilegiert oder wie ein Versuchskaninchen ?
Schebelle:
Eher privilegiert. Ich bin 50 Jahre alt und hätte in meinem Alter vor dem Sommer gar keine Chance auf eine Impfung gehabt. Zudem habe ich in meiner Arbeit ständig Kontakt zu Pflegebedürftigen und Pflegern. Da ist sowohl die Gefahr, einen Schutzbedürftigen anzustecken als auch selbst zu erkranken, groß. Alle Corona-Impfstoffe sind per Schnellzulassung auf den Markt gekommen. Durch diese brisante Vorgehensweise gibt es noch keine Aussagen über mögliche Spätfolgen.
Warum haben Sie sich dennoch für eine Impfung entschieden ?
Schebelle:
Auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts habe ich mich über die Impfung informiert, zudem hat eine sehr gute Aufklärung eines Arztes vom Impfzentrum Straubing-Bogen stattgefunden. Er hat die Caritas-Mitarbeiter beispielsweise darauf hingewiesen, dass der Impfstoff von Biontech an sehr vielen Probanden getestet worden ist. Auf der Homepage hat Biontech die Zahl von 40 000 Probanden veröffentlicht. Ich habe weniger Angst vor den Folgeschäden einer Impfung als vor den Spätfolgen einer Corona-Infektion wie Atemprobleme, Müdigkeit, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselprobleme sowie Konzentrationsschwierigkeiten. Es gibt bereits Studien über die Spätfolgen einer Infektion, wie Organschäden bei Niere, Herz, Lungen.
Sie sprechen von einer guten Aufklärung seitens des Arztes des Impfzentrums.
Wie detailliert war die ?
Schebelle:
Der Arzt, der uns vom Impfzentrum Straubing-Bogen zugeteilt worden ist, hat sämtliche Impfvarianten vorgestellt und welche Vor- und Nachteile sie haben. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die Zielvorgabe des Impfzentrums war, so viele Mitarbeiter so schnell wie möglich zu impfen, sondern genau darauf zu achten, welcher Mitarbeiter zum aktuellen Zeitpunkt die Impfung gut verträgt und bei welchem Mitarbeiter die Indikation gegen eine Impfung spricht. Eine Mitarbeiterin wurde nicht geimpft, weil sie eine Woche vorher eine andere Impfung erhalten hatte. Auch Mitarbeiter, die mit Corona infiziert waren, wurden nicht geimpft, weil davon auszugehen ist, dass sie ausreichend immunisiert sind.
Wie erging es Ihnen nach der Impfung ?
Schebelle:
Bis auf einen Muskelschmerz am Oberarm wie bei vielen Impfungen hatte ich keine Nebenwirkungen. Zusammen mit mir wurden in der Wohngemeinschaft Niederwinkling 24 Menschen geimpft, darunter elf Pflegebedürftige und 13 Mitarbeiter. Wir konnten bei den Senioren bislang keine Nebenwirkungen feststellen. Eine Mitarbeiterin hatte am Abend der Impfung Kopfschmerzen, fühlte sich aber am darauffolgenden Tag wieder wohl.
Konnten die Senioren selbst entscheiden, ob sie geimpft werden wollen ?
Schebelle:
Viele sind dement oder stehen am Anfang einer Demenz und haben einen Betreuer. In der Regel ist das ein Angehöriger, der seine Zustimmung zur Impfung geben musste. Drei weitere, noch völlig aufnahmefähige Senioren wurden mit den Mitarbeitern aufgeklärt, und haben sich eigenverantwortlich für die Impfung entschieden. Eine Seniorin hat sich dagegen entschieden. Eine Entscheidung, die wir akzeptieren.
In welchem Abstand erfolgt die zweite Impfung ?
Schebelle:
Laut dem Arzt des Impfzentrums erhalte ich nach 21 Tagen die zweite Impfdosis. Nach einer weiteren Woche ist bei dem Biontech-Impfstoff von einer 94-prozentigen Immunität auszugehen.
Wie hoch ist die Impfbereitschaft bei den Mitarbeitern ?
Schebelle:
In den ambulanten Diensten wie Pflegedienst und Seniorenwohngemeinschaft der Caritas relativ gut, wir liegen zwischen 70 und 80 Prozent. Immer wieder ist zu hören, dass gerade Pflegekräfte der Impfung skeptisch gegenüberstehen.
Woher rührt dieses Skepsis ?
Schebelle:
Die Information, dass Pflegekräfte unter den ersten Gruppen sind, die sich impfen lassen können, kam überraschend. In dieser Diskussion darf nicht außer Acht gelassen werden, dass im medizinischen Bereich Tätige wie Krankenschwestern viel umfassender über die Folgen einer Impfung nachdenken als medizinische Laien. Meiner Meinung nach gab es im Vorfeld der Impfung zu wenig Aufklärung und die kam auch erst sehr spät. In den Medien ging es eher darum, dass und wie viel Impfstoff vorhanden ist, aber nicht darum, wie wichtig der Impfstoff zur Bekämpfung der Pandemie ist. Die Falschmeldung, die durch das Internet geisterte, dass die Impfung das Erbgut verändere, hat viele Ängste hervorgerufen. Gerade jüngere Pflegerinnen, die noch Kinder wollen, haben sich skeptisch geäußert, aber Vorbehalte gibt es auch bei älteren Pflegern.
Wie entgegnen Sie diesen Vorbehalten?
Schebelle:
Wir haben in der Caritas eine Aufklärungskampagne begonnen und hoffen, damit die 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter zu überzeugen, die nicht zu einer Impfung bereit sind. Ein Arzt wird einen Vortrag halten und hat sich bereiterklärt, mit jedem Mitarbeiter ein Gespräch zu führen, um auf dessen Fragen und Unsicherheiten eingehen zu können.
Können Pfleger und Pflegerinnen, die sich trotz aller Aufklärung nicht impfen lassen wollen, ganz normal weiterarbeiten?
Schebelle:
Sie werden künftig wohl häufiger getestet werden. Derzeit laufen sogar Überlegungen, ob wir vor jedem Dienst Schnelltests machen sollen.
Wie ändert sich die Arbeitsweise, wenn in drei Wochen in der Niederwinklinger Seniorenwohngruppe alle Senioren und Pfleger die zweite Impfung erhalten haben?
Schebelle:
Vorerst gar nicht, weil bislang noch nicht klar ist, ob Geimpfte das Virus weitergeben können. Deshalb werden weiterhin sowohl die Pfleger als auch die Senioren zweimal wöchentlich mit einem Schnelltest getestet werden und wir werden weiterhin ständig FFP2-Masken tragen.
Das ist keine wirkliche Werbung für die Impfung
Schebelle:
Das sehe ich anders. Nur mit einer hohen Impfquote kann die Pandemie eingedämmt werden. Laut derzeitigem Stand der Forschung ist es zwar nicht auszuschließen, dass Geimpfte das Virus übertragen können, dass sie selbst an Corona erkranken aber schon.
Ist eine Impfpflicht für Pfleger, wie Ministerpräsident Markus Söder sie jüngst gefordert hat, das richtige Mittel, um die Pandemie bei den besonders vulnerablen Personengruppen besser in den Griff zu bekommen ?
Schebelle:
Nein, die Pandemie hat den Druck, dem Pfleger in allen Bereichen wie Krankenhäusern, Altenheimen oder mobilen Pflegediensten sowieso schon ständig ausgesetzt sind, zusätzlich erhöht. Und das in einem Berufsfeld, in dem viele Mitarbeiter daran denken, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Jetzt Pflegern noch eine Corona-Impfpflicht aufzubrummen, halte ich für das falsche Signal. Gute Aufklärung, sich Zeit für Gespräche nehmen, um Vorbehalte und Ängste abzubauen - das ist der richtige Weg.
Interview: Alexandra Beck
Straubinger Tagblatt 20.01.2021