Siebzig Prozent Regenwahrscheinlichkeit hatte Wetter online für diesen Samstag für Amberg vorhergesagt, das Ziel des 42. Sonnenzugs. Sonnencreme konnten die 270 Teilnehmer – 170 Senioren und Menschen mit Behinderung sowie 100 Helfer – getrost daheim lassen. Aber Regencapes und -schirme hatten – Petrus sei Dank – wider Erwarten auch nur sporadisch Nebenrollen.
Ob es daran lag, dass Artur Christmann, Stadtrat und Verwaltungsrat für Seniorenfragen, Ambergs Caritas-Direktor Günter Koller einen Straubing-Schirm als Geschenk überreicht hat? Koller war gleichzeitig offizieller Vertreter der Stadt Amberg beim Empfang des Sonnenzugs. Dem Schirm werde magische Wirkung nachgesagt, hatte Christmann nach der Ankunft im Amberger Congresszentrum gesagt. Eigentlich hat diese Wirkung jeder Schirm: Wenn man keinen dabei hat, regnet es garantiert. So kam der Straubing-Schirm nur in der touristischen Version „follow the umbrella“ zum Einsatz, als Koller mit Straubings Caritas-Geschäftsführer Norbert Scheidler die Sonnenzug-Mitfahrer an der malerischen Vils entlang zur Basilika St. Martin zum Gottesdienst leitet.
Um 7 Uhr früh hat der Ausflugstag im Markmiller-Saal der Barmherzigen Brüder begonnen. Unter anderem Malteserfahrzeuge dienten als Zubringer dorthin und standen am Abend auch wieder zur Abholung bereit.
Kaffee und Zillertaler Hochzeitsmarsch
Auftakt im Magnobonus Markmiller-Saal
Die Frühaufsteher erwartet im Markmillersaal frisch gebrühter Kaffee, Orangensaft, Semmeln, Butter, Marmelade, Käse und Wurst sowie Alleinunterhalter Christian Schediwy mit ansteckendem Elan, Zillertaler Hochzeitsmarsch und Fliegerlied. Was muss man einwerfen, um um 7 Uhr früh so gut drauf zu sein? „Das ist noch von gestern“, sagt Schediwy augenzwinkernd und erreicht den letzten Morgenmuffel mit „Hurrah, hurrah, it´s a holi-holiday.“. OB Markus Pannermayr und stellvertretender Landrat Feri Eckl geben den Senioren und ihren Begleitern gute Wünsche mit auf den Weg und sind sicher, dass alle am Abend viel zu erzählen haben.
In der Einfahrt der Barmherzigen Brüder rollt zwischenzeitlich die Sonnenzugmaschinerie, generalstabsmäßig organisiert von Annette Wimmer von der Caritas. Zum 13. Mal chauffiert Alois Pfeffer aus Zenting bei Grafenau die Ausflügler mit seiner behindertengerechten Busflotte. Er strahlt wie seine Fahrer Ruhe und Freundlichkeit aus und stellt sich den Senioren unkompliziert als „der Lois“ vor.
Sechs Busse stehen zum Einsteigen bereit, für alle Mitfahrer gibt es Sonnenzugbuttons in unterschiedlichen Farben als Erkennungszeichen. 62 Rollstuhlfahrer gelangen komfortabel per Hebebühne in die Busse. Auch für die 24 Senioren mit Rollator ist das Einsteigen ein Kinderspiel. 100 Helfer hat Annette Wimmer organisiert, darunter 20 Schüler der Altenpflegeschule Aiterhofen, Ehrenamtliche und Angehörige. Das Wissen, einen Leih-Rollstuhl und einen Begleiter zu bekommen, ermögliche vielen erst die Teilnahme, so ihre Erfahrung. Die älteste Mitfahrerin heuer war 99.
Komfort für 62 Rollstuhlfahrer
Rollstühle und Rollatoren werden in den Stauräumen der Sonderfahrzeuge und in einem eigens mitgeführten Anhänger verstaut. Alois Pfeffer hat sich auf diese touristische Nische spezialisiert. Martin Ernst von der Caritas erinnert sich an die Zeit, als der Sonnenzug noch Zug fuhr. „Was für eine Schinderei für Teilnehmer wie Helfer.“
Nach genau zwei Stunden trifft die Busflotte am Amberger Congresszentrum ein. Barrierefrei gelangen die Teilnehmer in den großzügigen Saal, wo ruckzuck Getränke und nicht weniger flott Rinderbraten mit Knödel und Salat serviert werden. Auch wenn der bestellte Alleinunterhalter den Sonnenzug versetzt hat, das Team des Congresszentrums weiß sich zu helfen und legt Unterhaltungsmusik auf. An den Tischen wird ohnehin ausgiebig geratscht. Rund 70 von 170 Teilnehmern kommen aus Altenheimen in Stadt und Landkreis und 25 weitere gehören Altenclubs in der Region an. Für viele gibt es ein freudiges Wiedersehen. „Wenn wir´s Leben noch haben, fahren wir nächstes Jahr wieder mit“, bekommt Caritas-Mitarbeiterin Brigitte Gürster zur Antwort.
Gottesdienst in der Basilika St. Martin
Ein Gottesdienst gehört zum Sonnenzug SR Tagblatt
Um 12.30 Uhr ruft Norbert Scheidler zum Aufbruch. Es sind nur ein paar Minuten Spazierweg bis zur Basilika St. Martin, der größten Hallenkirche der Oberpfalz. Gefeiert wird dort der traditionelle Sonnenzug-Gottesdienst vom mitgereisten Karmeliten-Pater Paul und Diakon Wolfgang Sattich-Jaklin von Christkönig, mit Hausherr Pfarrer Thomas Helm und Regensburgs Caritas-Direktor Michael Weißmann. Letzterer gibt den Teilnehmern mit auf den Weg, dass Jesu Zuwendung heile. Er vermittle die Botschaft, dass jeder erwünscht sei. Das Gleiche strahle der Sonnenzug aus, er stehe für Begegnung und Zuwendung für Menschen mit und ohne Behinderung. „Es entstehen Freundschaften und Patenschaften fürs Leben.“
Pfarrer Thomas Helm erzählt den Sonnenzugteilnehmern noch aus der Geschichte seiner Kirche, nennt die bunten Glasfenster „die Comics des Mittelalters“ und macht Appetit auf die Stadtführungen, die gleich im Anschluss auf dem Platz vor dem Gotteshaus angeboten werden. Zahlenmäßig die meisten machen sich auf in Cafés und Eisdielen. Auch das Amberger Luftmuseum („Ausstellungs- und Kompetenzzentrum für Luft in Kunst, Architektur, Design und Technik“) findet Anklang. Der Eintritt ist für den Sonnenzug frei. Stadtführerin Birgit Marx führt eine Gruppe mit mehreren Rollstuhlfahrern zu markanten Sehenswürdigkeiten wie Alte Veste, Rokoko-Kirche der Salesianerinnen und der sogenannten Amberger Brille. Sie hat sogar Barockmusik in der Konserve dabei. Amberg ist wirklich eine Entdeckung. Die Gruppe mimt sogar für wenige Minuten bereitwillig das Publikum bei einer Stadtführerprüfung. Zwischendurch braucht es kurz den Regenschirm und schützende Zuflucht unter dem Kirchendach. Dann geht es ohne Hektik die Vils entlang, vorbei an schön sanierten Hausfassaden Richtung Congresszentrum. Da kommen alle wieder zusammen. Die Busse warten schon, Lunchpakete für die Heimfahrt auch.
Begleitende Ärztin: Nur zweimal Insulin gespritzt
Dr. Stefanie Lang, leitende Oberärztin der Notaufnahme am Klinikum St. Elisabeth, zieht entspannt Bilanz bei der punktgenauen Ankunft um 18.30 Uhr bei den Barmherzigen Brüdern. „Zweimal Zucker gemessen und zweimal Insulin gespritzt. Und aus einer Mullbinde einen provisorischen Gürtel für eine rutschende Hose gebastelt“, erzählt sie von einem medizinisch völlig unspektakulären Tag.
Maria Biendl, Bewohnerin im Altenheim Geiselhöring, verabschiedet sich von Artur Christmann, der die Rollstuhlfahrerin den Tag lang begleitet und ihr den Wunsch auf einen Kaffeeklatsch am Nachmittag erfüllt hat. Seine Frau Ursula hat parallel zwei Seniorinnen auf einer Stadtführung betreut. „Danke, dass Sie mir ihren Mann geliehen haben“, sagt Maria Biendl verschmitzt zu Ursula Christmann. „Er hat gut auf mich aufgepasst.“ - „Gerne“, sagt Ursula Christmann, „ich bring ihn ihnen gerne vorbei“. – „Awei ko i ihn fei ned braucha“, sagt Maria Biendl und lacht übers ganze Gesicht.