Der Deutsche Bundestag legte damals fest: Für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, soll für Pflegestufe I ein Zuschuss von 2.000 Mark pro Monat fließen, 2.500 DM für die zweite Pflegestufe und 2.800 DM für die dritte. Das war vor fast 20 Jahren. Seither hat sich was getan: Die Preise stiegen um ein Drittel, die Kosten für einen Pflegeplatz sogar um etwa die Hälfte. Und die Leistungen der Pflegeversicherung? Die wurden für Heimbewohner in den Pflegestufen I und II lediglich von DM auf Euro umgerechnet. Fast 80 Prozent aller Pflegebedürftigen befinden sich in diesen beiden Pflegestufen. Die Beträge aus der Pflegeversicherung sind noch dazu bis 2015 festgelegt. Man könnte also sagen: Zwanzig Nullrunden in Folge! Der aus eigener Tasche zu zahlende Betrag hat sich dagegen seit Einführung der Pflegeversicherung weit mehr als verdoppelt und ist heute in vielen Heimen um 1.000 Euro oder 2.000 DM höher. Dagegen stiegen die Renten jährlich im Schnitt nur um magere 0,9 Prozent. Die Pflege scheint für Politik und Gesellschaft ein ungeliebtes Kind zu sein. Das liegt auch an der erheblichen finanziellen Belastung, die der Eintritt der Pflegebedürftigkeit für Pflegebedürftige und deren Angehörige mit sich bringt. Die gesetzliche Krankenversicherung erhält jährlich einen Zuschuss aus Steuermitteln im zweistelligen Milliardenbereich. Die Pflegeversicherung muss sich bei einem Ausgabenvolumen von gut 20 Milliarden Euro pro Jahr komplett aus Beitragszahlungen selbst tragen. Krankenhäuser erhielten gerade von der Bundesregierung eine Finanzspritze von über einer Milliarde Euro. Die Pflegebranche bekommt nichts. Etablierte, tarifgebundene Einrichtungen mit einem hohen Qualitätsanspruch wie die Caritas fühlen sich allein gelassen. Die Pflege ist, da sind sich Experten quer durch alle politischen Lager einig, chronisch unterfinanziert. Allein die adäquate Berücksichtigung von Demenz bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit wird laut Expertenbeirat der Bundesregierung bis zu vier Milliarden Euro kosten. Dazu kommt: Mit der Verdoppelung der Anzahl von Pflegebedürftigen und dementiell Erkrankten bis zum Jahr 2050 werden sich auch die Kosten verdoppeln. Von den Zusatzkosten durch Dokumentationspflichten, Expertenstandards und bauliche Vorgaben ist dabei noch gar nicht gesprochen. Für den einzelnen Pflegebedürftigen kann der "Pflege-Bahr" durchaus Linderung verschaffen. Schon beim monatlichen Mindestbeitrag von zehn Euro plus staatlichen Zuschuss von fünf Euro steigt der durchschnittliche Finanzierungsbeitrag zum Pflegesystem um über ein Drittel. Und doch bleiben zentrale Fragen offen: Wird es angesichts der individuellen Zusatzbelastung genügend Vertragsabschlüsse geben, vor allem von jungen und finanzschwächeren Versicherungsnehmern? Führt der Verzicht auf Gesundheitsprüfung dazu, dass die Versicherung für chronisch Kranke mit einem hohen Pflegerisiko besonders interessant wird - und damit weniger interessant für die Gesunden? Und wie hoch ist die Gefahr einer Inflation, die den mühevoll aufgebauten Kapitalstock vernichten würde? Vom Pflege-Bahr sollte man nicht zuviel erwarten. Er wird die Problematik der Pflegefinanzierung in Deutschland nicht maßgeblich entschärfen können. "Die Renten sind sicher", wird Blüm oft zitiert. Zur Finanzierung der Pflege in einem immer älter werdenden Deutschland hat bisher noch niemand eine solche Aussage gewagt. Und das, obwohl Deutschland eines der reichsten Länder mit einem der besten Sozialsysteme der Welt ist.
Stellungnahme
Nullrunden für die Pflege: Hat sie (k)einen Wert?
Erschienen am:
12.04.2013
Herausgeber:
Caritasverband für die Diözese Regensburg e.V.
Von-der-Tann-Straße 7
93047 Regensburg
Von-der-Tann-Straße 7
93047 Regensburg